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Bürgerstiftung fordert mehrjährigen Vertrag für die Inselbühne von der Stadt
Die Potsdamer Stadtverwaltung hat zugesichert, die Freilichtbühne auf der Freundschaftsinsel bis zum 30.11.2023 für eine mehrjährige Nutzung auszuschreiben. Diese Zusage hat sie nicht eingehalten. „Es muss jedem klar sein, dass so kein Kulturprogramm und Spielbetrieb mitsamt Personalgewinnung, Finanzierung, Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit geplant werden kann“, sagt Kaspar von Erffa, der ehrenamtliche künstlerische Leiter des Inselbühnen-Projekts. Die Potsdamer Stadtverwaltung ignoriert nicht nur ihre eigene Zusage, sondern auch den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung für eine mehrjährige Nutzung der Inselbühne sowie ein gleichlautendes Votum des Bürgerhaushalts 2022. „Die Stadt verheizt ehrenamtliches Engagement“, sagt Marie-Luise Glahr, die Vorsitzende der Potsdamer Bürgerstiftung. „Da nutzt auch kein Tag des Ehrenamts, kein Ehrenamtspreis und kein Ehrenamtsbeauftragter, wenn die Verwaltung engagierten Bürgerinnen und Bürgern nicht antwortet und drei Jahre Engagement für ein kostenloses Kulturprogramm für Jung und Alt in schwierigen Zeiten ignoriert. Bei uns engagieren sich mehr als hundert Freiwillige, auch überdurchschnittlich viel junge Menschen, die sich enttäuscht abwenden angesichts dieser fehlenden Wertschätzung und Zuverlässigkeit.“ In den letzten drei Jahren hat die Bürgerstiftung mit ihren ehrenamtlichen Engagierten über 175 Veranstaltungen bei freiem Eintritt für mehr als 10.000 Gäste ermöglicht und dafür viele zehntausend Ehrenamtsstunden aufgewendet. Die Bürgerstiftung ruft die Potsdamerinnen und Potsdamer auf, sich an den Oberbürgermeister zu wenden, um den Spielbetrieb auf der Inselbühne für die nächsten Jahre einzufordern. Dazu hat sie auch in den sozialen Medien einen Aufruf gestartet.
Zum Hintergrund:
Die Potsdamer Bürgerstiftung hat den Oberbürgermeister und alle beteiligten Fachbereiche der Stadtverwaltung (Grünflächen, Kultur, Vergabe, Rechtsamt, Ehrenamtsbeauftragte und mehr) am 26.10. 2023 in einer E-Mail gebeten, die Gestaltungs- und Vergabemöglichkeiten für eine mehrjährige Nutzung der Inselbühne zu prüfen und eine konzertierte, nachhaltige und schnelle Entscheidung in der Angelegenheit zu treffen.
Bisher gab es keine einzige Reaktion aus dem Rathaus auf die Bitte der Ehrenamtlichen, noch nicht einmal ein „vielen Dank für Ihre Nachricht, wir kümmern uns darum, bitten aber um etwas Geduld“, so Marie-Luise Glahr. Viele auftretenden und anfragenden Kulturschaffenden, viele Potsdamerinnen und Potsdamer, die die Inselbühne von früher als wunderschönen Veranstaltungsort kennen, sowie die Ehrenamtlichen der Stiftung sind zunehmend frustriert, enttäuscht und ratlos. Die Vorsitzende Marie-Luise Glahr schildert das Stimmungsbild so: „Es drängt sich mittlerweile der Verdacht auf, dass da jemand bewusst auf der Bremse steht, um das Projekt zu boykottieren, anders ist das gar nicht mehr zu erklären.“
Für das Team der Potsdamer Bürgerstiftung, das überhaupt erst den Abriss der beliebten Freilichtbühne auf der Freundschaftsinsel durch die Stadtverwaltung verhindert hat, wäre selbst der 30.11.2023 eigentlich zu spät. Zu spät, um ein Programm für die nächste Saison zu gestalten: Schon wieder müssen zahlreiche Anfragen von Künstlerinnen und Künstlern für die Saison 2024 abgesagt werden, aufgrund der herrschenden Planungsungewissheit. Schon wieder verpasst die Bürgerstiftung das Fundraising-Zeitfenster zum Jahresende, in dem Firmen ihre Spenden und Sponsoringetats des nächsten Jahres festlegen. Schon wieder kann die Bürgerstiftung kein tragfähiges Konzept erstellen, geeignete Mitarbeitende und Ehrenamtliche gewinnen und längerfristig an sich binden. Die Planungsunsicherheit und die viel zu späten und immer nur für Juni bis Oktober laufenden Verträge verhindern aktiv den Aufbau eines gesicherten Spielbetriebs. Kaspar v. Erffa: „Nur dank des enormen Inputs und Herzbluts der vielen ehrenamtlichen Freiwilligen, konnte in den letzten Jahren doch ein beeindruckendes Programm gestemmt werden. Für das Programm im Jahr 2023 war daher aufgrund der kurzfristigen Vergabe statt eines Spielbetriebs über die Sommersaison lediglich ein viertägiges Geburtstags-Festival Ende September machbar, um die 50 Jahre seit der Errichtung 1973 überhaupt zu feiern. Die tollen Veranstaltungen hätten allerdings besser besucht sein können, kein Wunder, bei dem kurzen Vorlauf und den kalten Temperaturen. Wie schön wäre ein Festival im Mai oder Juni gewesen, mit genug Werbung im Vorfeld, warmen Abenden und richtig Lust auf Open Air Events.“
Die Potsdamer Bürgerstiftung hat die Verwaltung explizit darauf hingewiesen, dass sie lieber auf eine öffentliche Förderung verzichtet, obwohl sie sie gut gebrauchen könnte, und z.B. ein längerfristiges Pachtmodell wählen würde, wenn der Einsatz von Fördermitteln eine weitere Verzögerung durch eine langfristige Vergabe bedeutet. Lieber setzt die Bürgerstiftung auf eine langsame, schrittweise Sanierung der Bühne aus privaten Sach-, Wissens-, und Geldspenden, wie sie etwa beim Winzerberg wunderbar gelungen ist. Für den Spielbetrieb sieht sie eher eine Nutzung durch die Stadtgesellschaft und den Aufbau eines niederschwelligen offenen Nutzungskonzepts insbesondere für Potsdamer Vereine, Schulen mit ihren Bands, Theater-Aufführungen, Orchestern und Chören, aber auch Studierenden, Tanzschulen sowie Sportveranstaltungen, Lesungen, Talks und mehr für alle im Freien.
In den letzten drei Jahren folgte jedes Jahr erneut eine Ausschreibung seitens der Stadt, jedes Jahr später, allerdings immer letztlich mit demselben Nutzungsvertrag. 2021 kam der Zuschlag an die Bürgerstiftung Ende März, 2022 im April und 2023 Ende Mai – immer für einen Saisonstart ab Mai/Juni. Es ist auch unklar, ob es überhaupt Mitbewerber gab. „Wer außer uns wäre bereit, ein gemeinnütziges und kostenfreies Kulturprogramm auf einer maroden Bühne mit einem riesigen Arbeitsaufwand zu stemmen?“, fragt Marie-Luise Glahr.
Die Bürgerstiftung bezweifelt, dass sie sich überhaupt einem Vergabeverfahren unterziehen muss: Die Bühne war bis 2019 für die Stadt so wertlos, dass sie sie abreißen lassen wollte. Erst durch das Konzept der Bürgerstiftung und ihr Engagement ist die Bühne wieder werthaltig geworden. Die Bürgerstiftung hat mit einem erheblichen ehrenamtlichen Arbeitsaufwand bei der Entfernung von hüfthoch wucherndem Unkraut, bei der Bestuhlung, der Renovierung der Räume sowie durch Dienstleistungs- und Sachspenden von Architekten, Elektrikern, Dachdeckern, Malerbetrieben die marode Infrastruktur der bröckelnden Bühne erhalten und verbessert. Es flossen außerdem auf das Betreiben der Bürgerstiftung z.B. Landesmittel in die Herstellung der Barrierefreiheit der Bühne, die die Liegenschaft der Stadt aufwerten.
Ist das geplante, komplexe Vergabeverfahren wirklich unumgänglich? Oder reicht auch:
- ein langfristiger Pachtvertrag? (2013 war die Liegenschaft bereits durch den KIS zur Verpachtung ausgeschrieben, die Bürgerstiftung bewarb sich 2014 und in den Folgejahren mit demselben Konzept wie heute und wurde ohne Angabe von Gründen nicht berücksichtigt.)
- eine Kooperationsvereinbarung und Bespielung in städtischem Auftrag (s. z.B. Nutzung der Liegenschaft des Grünflächenamts mit der Aktionsfläche Bassi am Bassinplatz durch den Stadtjugendring)?
- eine freihändige Vergabe an einen erwiesenermaßen geeigneten Bewerber?
- Eine institutionelle oder Projektförderung: Einige kulturelle und soziale Institutionen in Potsdam erhalten städtische Liegenschaften sowie Mittel für Miete, teilweise auch für Personal, oder kostenlose Nutzungsrechte.
„Warum braucht es ausgerechnet bei der Inselbühne ein Vergabeverfahren, das so komplex ist, dass es nicht möglich ist, dies zeitnah und für mehrere Jahre umzusetzen? Warum braucht es in Potsdam eigentlich immer erst den großen Eklat, bis sich die Verwaltung bewegt? Es ist nicht unsere Art, öffentlich auf den Putz zu hauen und wir haben uns jetzt drei Jahre hinter den Kulissen geduldig um eine konstruktive Kooperation bemüht, leider ohne Erfolg. Das ist sehr frustrierend und unprofessionell“, so Kaspar von Erffa. „In den letzten drei Jahren hat die Bürgerstiftung hinreichend bewiesen, dass sie die Inselbühne sinnvoll und für die Stadtgesellschaft gewinnbringend zu neuem Leben erwecken kann.“